Weihnachten, zum Nachdenken
Es muß so kurz vor Weihnachten gewesen sein. Ein kleines Mädchen, vier Jahre jung, irrte allein im Trubel der Menschmassen umher. Es wollte auch sehen, wo es ist und was es gibt, aber da waren so viele Menschen und die waren alle viel größer, als es selbst, so dass ihr die Sicht auf alles versperrt war. Es sprach sie auch niemand an oder half ihr. Die Menschen waren alle in Eile, sie hetzten umher und so nahm keiner das kleine Mädchen war.
Plötzlich stand es in einer großen Schlange, wo es doch ein Stück weit sehen konnte. Ganz vorn war eine große Scheibe und hinter dieser Scheibe saß der Weihnachtsmann. Vor ihm standen 2 Kinder und daneben wohl deren Eltern. Dort blieb es stehen. Es kam dem Mädchen vor, wie eine Ewigkeit,bis es endlich ganz vorn stand und eine Tür sich öffnete.
Nun war es ganz aufgeregt. Der Weihnachtsmann fragte mit freundlicher Stimme: "Na, wie heißt denn du?" Da kam eine ganz vorsichtige Stimme mit den Worten:" Ich heiße Susi!" "Und wo sind deine Eltern, Susi?" Jetzt liefen ihr doch ein paar Tränen aus den Augen, doch sie sagte tapfer: "Sie sind im Himmel bei den Engeln, sie können mich sehen und beschützen mich jeden Tag." Darauf fragte der Weihnachtsmann:" Ja Susi, bist du denn ganz allein auf diesem großen Markt, ist niemand mit dir hergekommen?" Sie schluchzte: "Nein, lieber Weihnachtsmann, es hat ja niemand für mich Zeit. Ich wohne jetzt bei meiner Tante, aber die hat eine sehr wichtige Arbeit und ist deshalb selten zu Hause. Sie muß auch oft am Samstag arbeiten, sowie heute und dann gibt sie mir Stifte und Blätter, Malbücher und andere Bücher, na und ganz viel Spielzeug, daß ich mich beschäftigen kann. Das ist ja auch schön, ich hab viele tolle Sachen, aber wenn ich etwas besonders Schönes gemalt habe, kann ich es niemanden zeigen. Ich hab ihr auch gesagt, daß ich so gerne zu dir möchte, aber sie hat ja keine Zeit und sagte mir, daß du auch nur wenig Zeit hast, weil es ja soviele KInder gibt."
Der Weihnachtsmann antwortete: "Nunja Susi, das stimmt schon,es gibt viele Kinder,aber ich nehme mir für Jedes Zeit.Was wünscht du dir denn am meisten?"
"Ich wünsche mir, das jemand einen Nachmittag mit mir verbringt, vielleicht hier auf diesem schönen Markt. Ich möchte sehen, was es da alles gibt, aber ich bin zu klein und niemand hebt mich einmal hoch. Ich will ja garnichts haben, ich möchte es nur sehen und vielleicht einmal Karusell fahren und eine Zuckerwatte, das wäre schön. Das ist aber wohl ein bischen viel, nicht wahr? Im letzten Jahr war ich mit meinen Eltern hier, es waren viele Freunde dabei, wir sind Karusell gefahren und haben Zuckerwatte gegessen und uns die schönen blinkenden Sachen angesehn."
Der Weihnachtsmann ist verblüfft und sagt: "Nein Susi, daß ist nun wirklich nicht zuviel verlangt."
Er nimmt Susi an die Hand und geht mit ihr hinaus. Vor seinem Häuschen stehen große Lautsprecher und ein Mikrophon. Der Weihnachtsmann nimmt es behutsam und spricht: Liebe Eltern, liebe Kinder, hier ist ein kleines Mädchen, ganz allein, ihre Eltern sind im Himmel und sie wünscht sich von mir für einen Nachmittag Zeit, um sich hier in Ruhe umzuschauen, um einmal Karusell zu fahren und Zuckerwatte zu essen. Diesen Wunsch werde ich Susi jetzt erfüllen. Wer von den KIndern, die hier noch anstehen mitkommen mag, einfach hinter mir her!"
Der Weihnachtsmann nahm Susi auf den Arm und ging mit ihr langsam über den Markt. Eine riesige Schar Kinder lief hinter den beiden her und alle riefen nach Susi. Er blieb mit Susi stehen, dort, wo sich sich etwas genauer anschauen wollte und hörte ihr zu, wenn sie über die Dinge erzählte. Die anderen Kinder hörten auch mit zu und gaben ihre Kommentare. Susi fand das lustig. Als sie alle Schaufenster und Stände durch hatten,waren sie am Karusell. Der Karusellmann wollte nun kein Geld mehr. Er lies zu Ehren von Susi alle Kinder frei fahren und Susi fuhr nicht nur einmal.Sie lernte an diesem Tag viel neue Kinder kennen.
Zum Schluss, als es schon düster wurde, gab es riesige Portionen Zuckerwatte, natürlich auch frei für alle Kinder. Manche Eltern spendeten der Zuckerwattenfrau und dem Karusellmann etwas, einfach so für diese gute Tat.
Susi hatte einen wunderschönen Nachmittag mit dem Weihnachtsmann verbracht. Nun standen viele Eltern vor ihr und fragten sie, wo sie wohnt. Die Einen wollten sie zu Weihnachten einladen, die anderen einfach nur mal so zu einem Besuch im Hallenbad oder einer schönen Kinderfeier.
Susi hatte Tränen in den Augen, sogerührt war sie.
Am Montag Morgen saß sie mit ihrer Tante beim Frühstück, während diese wieder hektisch in der Zeitung blätterte. Da sah sie auf der Titelseite ein Bild von Susi und einen sehr langen Bericht dazu.
Ihre Schwester und ihr Schwager waren 4 Wochen davor bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Es war für sie selbstverständlich, daß sie sich der kleinen Susi annahm und doch war ihr Schmerz so groß, daß sie sich in die Arbeit stürzte. In diesem Moment wäre sie am liebsten im Erdboden versunken.
Susi war ein sehr selbstständiges Mädchen und sie dachte, das Kind kommt schon zurecht, aber da? Sie lief zum Telefon und rief ihren Chef an. Sie sagte, daß es ihr nicht gut ginge und ob sie wohl zu Hause bleiben könne. Bei den Überstunden, die sie hatte, gab er ihr gleich bis Jahresende frei.
Sie nahm Susi in den Arm und entschuldigte sich und dann redeten und redeten sie immerzu, bis es ander Tür klingelte. Da standen ein paar Eltern mit dem Weihnachtsmann. Sie hatten für den 24.12. ein großes Lokal gemietet für Susi. Viele Eltern wollten den Heilig Abend dort zusammen mit Susi und ihren eigenen Kindern verbringen.
Sie schämten sich auch, daß sie in dieser Zeit über Märkte hetzten, im Getümmel drängelten,eilig hastig und das ein kleines Mädchen sie zum Nachdenken brachte, wie wichtig Zeit mit den Menschen ist. Kein Geschenk kann die ersetzen.
Susi war überglücklich und ihre Tante willigte ein. Zu Weihnachten verbrachten sie in einem großen Saal, der geschmückt war, wie ein Weihnachtsmärchenland mit vielen Kindern, Eltern, Großeltern und natürlich dem Weihnachtsmann. Sie sangen Lieder, aßen und tranken und spielten miteinander die schönsten Spiele. Ein Mann schenkte Susi eine CD, auf der er den Nachmiitag mit dem Weihnachtsmann gefilmt hatte. Das war Susi`S schönstes Weihnachtsfest.
Sie ging am Ende hinaus, schaute zum Himmel und sagte: "Danke Mama und Papa, das habt ihr toll gemacht!"
Dagmar Geyer
Ein Schnurps grübelt (Gedichte)
Ein Schnurps grübelt
Also, es war einmal eine Zeit,
da war ich noch gar nicht da. -
Da gab es schon Kinder, Häuser und Leut
und auch Papa und Mama -
jeden für sich - bloß ohne mich!
Ich kann mir´s nicht denken. Das war gar nicht so,
Wo war ich denn, eh es mich gab?
Ich glaub, ich war einfach anderswo,
nur, dass ich´s vergessen hab,
weil die Erinnerung daran verschwimmt -
Ja, so war´s bestimmt!
Und einmal, das sagte der Vater heut,
ist jeder Mensch nicht mehr hier.
Alles gibt´s noch: Kinder, Häuser und Leut´,
auch die Sachen und Kleider von mir.
Das bleibt dann für sich -
ohne mich.
Aber ist man dann weg? Ist man einfach fort?
Nein, man geht nur woanders hin.
Ich glaube, ich bin dann halt wieder dort,
wo ich vorher gewesen bin.
Das fällt mir dann bestimmt wieder ein.
Ja, so wird es sein!
(Michael Ende)